Schulchronik

Seit 1888 trägt unser Schulgebäude den Namen "Gebrüder-Reichenbach". Diese Namensgebung war historisch begründet, denn das Kapital zur Errichtung des Gebäudes entstammte einer Verfügung des Altenburger Bankiers Ernst Ludwig Reichenbach. Reichenbach war 1789 in Altenburg als Sohn des Kaufmannes Johann Christian Reichenbach geboren. In seiner 1938 veröffentlichten Arbeit über das Altenburger Bürgertum um 1800 heißt es: "Die Reichenbachs stammen aus Wintersdorf. Aus kleinen engen Verhältnissen hatten sie sich in zwei Generationen zu Großkaufleuten emporgearbeitet. Um 1800 besaßen mindestens zwei Angehörige dieser Familie je ein gut gehendes Bankgeschäft in Altenburg." Der eine, Heinrich Reichenbach, war auch Inhaber eines bedeutenden Bankhauses in Leipzig, wohnte aber in Altenburg und hatte Wohnung und Geschäft „ Bei der Brüderkirche", das heißt da, wo jetzt das Polizeiamt seinen Sitz hat. Dieser Zweig der Familie lebte damals in sehr guten Verhältnissen. Im Gegensatz dazu lebten die Mitglieder des anderen Zweiges, nämlich Johann Christian Reichenbach und seine Söhne, sehr zurückgezogen und widmeten sich nur ihren Geschäften. Ihr Bankgeschäft befand sich in der Moritz-Strasse 5, die Wohnung im Weibermarkt 16. Ernst Ludwig Reichenbach hat nach dem Tode seines Vaters die Bank unter dessen Namen weitergeführt. Über seinen Bruder, der anscheinend früh gestorben ist, weiß man nichts Näheres. Ernst Ludwig Reichenbach war verheiratet, hatte aber keine ehelichen Kinder, sondern nur einen Adoptiv-Sohn, den Advokaten Otto Armack Reichenbach.

Als Ernst Ludwig Reichenbach am 21.01.1881 im 92. Lebensjahr starb, hinterließ er ein Vermögen von rund 5 Millionen Mark, das zum Teil aus Aktien und anderen Wertpapieren, aber auch aus großen Beträgen von „flüssigem" Gelde bestand. Außerdem besaß er das Rittergut Nobitz. Herr Reichenbach war also damals sicher der reichste Einwohner von Altenburg. Nach dem Testament, das Reichenbach 5 Jahre vor seinem Tode verfasst hatte und dessen wesentlicher Inhalt kurz nach dem Erscheinen der Todesanzeige in der "Altenburger Zeitung" veröffentlicht wurde, erbte der Adoptiv-Sohn, Otto Armack Reichenbach den größten Teil des Vermögens. Außerdem verfügte Reichenbach die Errichtung mehrerer Stiftungen, deren Zweck und Höhe damals einiges Aufsehen erregte. 750.000.- Mark waren bestimmt für die Errichtung von je einer Knaben - und einer Mädchen Schule, die den Namen „ Gebrüder-Reichenbach-Schulen" tragen sollte. Reichenbach hatte mit seiner Stiftung der Stadt aus einer Klemme geholfen, denn der Bau einer neuen Schule war wegen überfüllten Klassen in den bisherigen Bürgerschulen schon längst nötig gewesen. Die Stadt hatte schon vor dem Tode Reichenbachs ein Grundstück gekauft, auf dem aber nur das Schulgebäude Platz gefunden hätte. Nun ermöglichte die Stiftung von Reichenbach, ein Stück vom angrenzenden Pohlhofgarten zu erwerben, so dass Platz für einen Schulhof vorhanden war.

Reichenbach hatte weiter bestimmt, dass der Schulbau 5 Jahre nach der Auszahlung der Stiftungsgelder fertig gestellt sein sollte. Der Bau der Schule war Ostern 1887 soweit vorangeschritten, dass Lehrer und Schüler einziehen konnten. Da aber noch weitere Arbeiten vorzunehmen waren, fand die feierliche Einweihung und Übergabe erst zu Ostern 1888 statt. Der Hauptteil der Stiftung in Höhe von 540.000,- Mark sollte für die Gehälter der Lehrer verwendet werden. Die Lehrer der Reichenbach-Schule wären bei strikter Einhaltung dieser Vorschrift wesentlich besser bezahlt worden, als die Lehrer der übrigen Altenburger Bürgerschulen. Alle Altenburger Bürgerschulen unterstanden einen städtischen Gesamtschuldirektor, jede einzelne Schule, also auch die beiden Reichenbach Schulen, einem Konrektor. Erst ab 1893 wird ein Rektor für die beiden Reichenbach Schulen eingesetzt. Bei der Eröffnung der Schulen 1887 wurde für jeden Jahrgang eine Klasse gebildet. Also acht Klassen für die Knabenschule, aber nur sieben für die Mädchenschule, da für die Mädchen nur eine siebenjährige Schulpflicht bestand, die erst 1890 auf acht Jahre erhöht wurde. Sämtliche Lehrkräfte der neuen Schule waren, mit Ausnahme der Handarbeitslehrerinnen, nur Männer. Erst ab 1898 wurden ganz vereinzelt an den Mädchenschulen auch Lehrerinnen angestellt. 1909 waren an den Altenburger Bürgerschulen 100 Lehrer und nur drei Lehrerinnen beschäftigt.